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Kinder psychisch erkrankter Eltern brauchen Verlässlichkeit

Was brauchen Kinder psychisch erkrankter Eltern?

Die „Kleinen vergessenen Angehörige“ oder auch „Kleinen Helden in Not“ sind Teil des betroffenen Systems und übernehmen teilweise oft früh Verantwortung für ihre betroffenen Eltern.

In Bezug auf die Krankheitsbewältigung ist es wichtig, dass die Familie einen offenen und aktiven Umgang mit der Erkrankung erlernt.

Hier geht es beispielsweise um Fragen wie:

  • Nimmt auch der gesunde Partner die Erkrankung als eine solche an?
  • Besteht eine ausreichende Krankheitseinsicht auf Seiten des erkrankten Elternteils?
  • Werden Medikamente gewissenhaft eingenommen?
  • Haben Angehörige ein Wissen über die Symptome und möglichen Auswirkungen der Erkrankung?

Zwar ist es durch die Hilfsangebote der spezialisierten Familienhilfe Seelensteine sowie durch die Beratungs- sowie Gruppenangebote der Tabu la rasa möglich, passgenaue Hilfen, die sich je nach Bedarf an Eltern, Kinder oder die Familie insgesamt richten, anzubieten, die zeitlich befristeten Vorgaben der Jugendhilfe stehen jedoch in manchen Fällen einer dauerhaften Stabilisierung des Familiensystems entgegen. Jugendhilfe wird zudem meist erst dann auf die Gruppe der Kinder psychisch kranker Eltern aufmerksam, wenn Eltern ihre Kinder nicht mehr angemessen versorgen können und es Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls gibt oder die Eltern aufgrund der bereits entwickelten Verhaltensauffälligkeiten ihrer Kinder selbst Unterstützung suchen.

Zudem schaffen es aufgrund der Kommstruktur der Beratungsstelle sowie bestehender Hemmschwellen und Ängste nicht alle Familien von sich aus, auf Angebote der Jugendhilfe zuzugehen. Da psychisch kranke Eltern vielfach denken, dass ihnen das Jugendamt ihre Erziehungskompetenz aufgrund der Erkrankung abspricht und dadurch ein Sorgerechtsentzug droht, werden bestehende Unterstützungsangebote zu selten und oftmals zu spät in Anspruch genommen (vgl. Schone, Wagenblass 2002).

Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe für die betroffenen Kinder und ihre Familien werden erst dann wirksam greifen, wenn sie durch eine systematische Einbeziehung der Kinder als Angehörige flankiert sind (vgl. Lenz 2009). Eine Möglichkeit frühzeitig kooperative Hilfen anzubieten und Kinder als Angehörige wahrzunehmen besteht bspw. darin, dass Jugendhilfe im Kontext der Erwachsenenpsychiatrie offene Kinder- und Familiensprechstunden anbietet. Kinder können so frühzeitig vor Überforderung geschützt werden. Diese Sprechstunde kann neben frühzeitig einsetzenden Familieninterventionen, welche nachweislich die Rezidivrate (Wiederauftreten einer Erkrankuung) senken können (vgl. Beardslee et.al 1997), eine wichtige Brückenfunktion im Sinne einer Vernetzung aller an der Behandlung Beteiligten ermöglichen (vgl. Schaub/ Frank, 2010).

Die psychiatrischen Kliniken in Halle und dem Saalekreis sind mittlerweile sensibilisiert für die Belange der Kinder, hier besteht demnach für uns nicht die Hürde, eine solche Sprechstunde im Kliniksetting zu platzieren, vielmehr ist die Finanzierung eines solchen Angebotes – unabhängig von Spendengeldern – eine große Schwierigkeit, die wir noch nicht lösen konnten.

Des weiteren wäre es im Sinne einer flächendeckenden Prävention wichtig, dass jedes betroffene Kind die Chance erhält, an einer psychoeduaktiven Kindergruppe teilzunehmen, um, wie bereits angesprochen, die elterliche Erkrankung „besprechbar“ zu machen und Kindern die Chance zu geben, mit anderen betroffenen Kindern in einen Austausch zu treten. Wissen kann so vermittelt, Schuldgefühle können abgebaut werden. Dies sind zwei wesentliche Bausteine, die es Kindern ermöglichen können, trotz der elterlichen Erkrankung gesund aufzuwachsen.

AFET. Bundesverband für Erziehungshilfe e.V (Hrsg.): Antrag auf Einrichtung einer Sachverständigenkommission „Hilfen für Kinder und Familien mit psychisch kranken Eltern“, 2011, S.2.

Arbeitsgemeinschaft für Kinder – und Jugendhilfe AGJ (Hrsg.): Diskussionspapier der . Stellungnahmen und Positionen. Kinder von psychisch erkrankten und suchtkranken Eltern, Hamburg, 2010

Beardslee, W. R., Versage, E. M., Wright, E. J., Salt, P., Rothberg, P. C., Drezner, K., et al. Examination of preventive interventions for families with depression: Evidence of change. Development and Psychopathology, 1997, S. 109–130

Kinderkommission des Deutschen Bundestages (Hrsg): Stellungnahme zum Thema „Kinder psychisch kranker Eltern“, Berlin, 2013

Lenz, A.: Interventionen bei Kindern psychisch kranker Eltern. Grundlagen, Diagnostik und therapeutische Maßnahmen, Hogrefe, 2008

Lenz, A.: Expertise im Rahmen des 13. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung.

Riskante Lebensbedingungen von Kindern psychisch und suchtkranker Eltern – Stärkung ihrer Resilienzressourcen durch Angebote der Jugendhilfe, Hrsg.: Sachverständigenkommission des 13. Kinder- und Jugendberichts, Drucksache 16/12860, 2009

Mattejat, F., Wüthrich, C. & Remschmidt, H.: Kinder psychisch kranker Eltern. Forschungsperspektiven am Beispiel von Kindern depressiver Eltern. Nervenarzt, 2000, 71, 164-172

Schaub, A., Frank, R.: Sprechstunde für Kinder psychisch kranker Eltern, Monatszeitschrift Kinderheilkunde, elektronischer Sonderdruck, 2010

Schone, R./Wagenblass S.: Kinder psychisch kranker Eltern zwischen Jugendhilfe und Erwachsenenpsychiatrie. Weinheim/München, 2002

Übersicht zu Deutschlandweiten Angeboten für Kinder von psychisch erkrankten Eltern sowie Informationen zum Thema (https://www.netz-und-boden.de/deutschland/)